Projekttag Fluchtpunkte: Perspektiven auf Flucht aus, in und nach Deutschland

70 Millionen Migranten. 70 Millionen Menschen. Sie alle befanden sich 2019 nach Angaben des UNHCR auf der Flucht. Keiner der Q2-Schüler*innen hätte das gedacht und gab die richtige Antwort auf die Frage, wie hoch die Flüchtlingszahlen weltweit 2019 waren, als die beiden Moderatoren Jannes Umlauf und Patric Dujardin vom Verein für Jugend- und Erwachsenenbildung „die Multivision“ drei mögliche Zahlen zur Auswahl stellten.

Mit dem Projekt „Fluchtpunkte – Perspektiven auf Flucht aus, in und nach Deutschland“ waren sie am Freitag, dem 30.10.2020 zu Gast am Kreisgymnasium. Vor deutlich reduzierter Kulisse, wurden mit den beiden LKs Sozialwissenschaften und Geschichte zunächst Grundlagen von Migration wiederholt und ein Blick in die (deutsche) Vergangenheit geworfen. Die Entstehung des Grundgesetzes mit dem darin verbrieften Asylrecht – und wie es darum heute in der Praxis steht, wurden thematisiert genauso wie die Fluchtbewegungen aus Deutschland vor 1945 und der Flucht nach Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Das illustrierte, dass es Flucht eigentlich schon immer gegeben hat.

Mit Erstaunen hörten die Schüler*innen dem Zeitzeugen Peter Keup zu, der von seinem Fluchtversuch aus der DDR berichtete, die in verschiedenen DDR-Gefängnissen und der Staatenlosigkeit endete. Nach knapp einem Jahr wurde er als politischer Häftling von der BRD freigekauft. Peter Keup arbeitet heute in der Gedenkstätte „Zuchthaus Cottbus“ – dem Ort, an dem er auch inhaftiert war. Eine Schülerin stellte fest: „Wenn man an Flucht denkt, fallen einem natürlich die Opfer der Nazis ein, aber dass auch Deutsche nach Deutschland oder später über die deutsche Grenze geflüchtet sind, das war mir nicht so richtig bewusst.“

Wie ähnlich Fluchtverläufe sein können und wo sie sich zum Beispiel mit Blick auf die Gegenwart unterscheiden, wurde auch in der anschließenden Diskussionsrunde deutlich, an der Peter Keup neben Hans-Joachim Schwabe (Flüchtlingsrat Kreis Heinsberg), Dr. Asli Topal-Cevahir (Migrationsforscherin / Leitung Kommunales Integrationszentrum  Kreis Heinsberg) und
Freya Lüdecke (Leitung Migrationsfachdienst beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Jülich) teilnahmen und mit den Schüler*innen über Flucht und Integration diskutieren.

„Meine größte Herausforderung war es aus dem Land zu kommen. Heute ist es anders. Heute kommen erst beim Ankommen die Herausforderungen wie die Ablehnung der Bevölkerung oder die negative Propaganda, die viel stärker durchschlägt als die vielen positiven Beispiele, die es gibt für Integration.“ machte Keupt deutlich, was durch die Beispiele der beiden Vertreter*innen aus Jülich veranschaulicht wurde: Herr Schwabe berichtete von Projekten in Marokko, erklärte das Prozedere, das zum Beispiel identitätslose Flüchtlinge durchlaufen müssen und appellierte auf die Frage nach dem möglichen Handlungsbedarf: „Moria ist auch auf Lampedusa, in Bosnien, in Marokko. Moria ist die Realität. Dagegen müssen wir kämpfen.“ Frau Topal-Cevahir betonte aber auch: „Flüchtlinge, Fliehende, Migranten sind keine Opfer. Sie sind Menschen, die zum Teil hoch ausgebildet sind und ganz unterschiedliche Dinge mitbringen. Die Akteure müssen mehr mit den Menschen sprechen, statt über die Leute. Wir können viel von ihnen lernen. Wir sind ein buntes, neues Deutschland.“ Mit dieser Aufforderung zum (Miteinander-)Reden ging ein interessanter Projekttag zu Ende.

Noch einmal herzlichen Dank an die beiden Moderatoren, Die Multivision und den Podiumsgästen!