Ein Zeitungsartikel von Anna Petra Thomas aus der Heinsberger Zeitung
Heinsberg. Vorhang auf, ein kurzer „Schipp“-Laut, dann das doppelte Klatschen – und die Szene beginnt. Auch wenn das nur nachspielt war, an der Realität war es schon nah dran. Wer sich nun fragt, in welcher merkwürdigen Kulisse wir uns gerade befinden, dem sei die Antwort schnell gegeben. So klang es aus dem Lichthof des Kreisgymnasiums in Heinsberg, wo der Literaturkurs der Oberstufe fleißig für sein Stück probte.
Und wer sich nun fragt, was an einer gewöhnlichen Theaterprobe so besonders ist, dem sei gesagt: Es war auch keine gewöhnliche Probe.
Amira Bakhit stattete den Nachwuchskünstlern einen Besuch ab. Im Rahmen der Schultheatertage und in Kooperation mit dem „Akut“-Theater in Aachen bekommen Schulen die Möglichkeit, mit Profis zusammenzuarbeiten und mal „richtig“ gecoacht zu werden. Sie selbst ist Schauspielerin und Theaterpädagogin aus Hessen und besucht insgesamt sechs Schulen im Kreis Heinsberg.
Verbesserungsvorschläge
Nun war sie das erste Mal am Kreisgymnasium. „Sehr geil, von einer Emotion in die andere“, bilanzierte die Profi-Schauspielerin die Szene, die mit dem „Schipp“ und dem Klatschen begann. „Es ist super schön für das Publikum, zu sehen, wie es in dir rattert“, fügte sie hinzu. „Aber nimm dir Zeit“, hatte sie auch gleich einen Verbesserungsvorschlag dabei.
Die Szene, die gerade heiß diskutiert wurde, war ein Monolog von Lady Macbeth. Gemeinsam mit ihrem Lehrer Thomas Ullm haben die Schüler nämlich die Tragödie „Macbeth“ umgeschrieben und in einen modernen Kontext gesetzt. Dabei ist Macbeth nicht mehr ein königlicher Heerführer, sondern ein Manager. Trotzdem bleibt der Wandel hin zum Tyrannen natürlich erhalten.
Mit allen Mitteln versucht der moderne Macbeth, Firmenchef in seiner Firma zu werden. „Also noch mal das Ganze – und denk an deine Pausen“, rief Amira Bakhit fordernd dazu auf, weiterzumachen. „Und du: Husch, Husch, zurück auf deinen Platz“, verwies sie einen Schüler, der noch nicht bereit war. Manchmal musste es eben auch strikt und rigide in der Probe zugehen. Trotzdem war sie immer dazu bereit, über Dinge zu diskutieren.
„Aus welchem Grund quatscht Macbeth Duncan tot, was meinst du?“, fragte sie in einer anderen Szene. „Keine Ahnung, ich hab das Ding nicht geschrieben“, hallte es zurück. Und die Antwort der Profi-Schauspielerin: „Sehr gut!“
Das wichtigste beim Schauspielern sei nicht der Text oder die Gänge zu kennen, das seien die Grundlagen, erklärte sie. „Selber die Möglichkeit haben, die Figur zu interpretieren, das ist es“, fügte Bakhit hinzu. Es gehe um Verständlichkeit. „Hinterfragt euch, was ihr auf der Bühne tut.“
Flüssiger, runder, mutiger
Ihre Worte schienen Wirkung gezeigt zu haben, denn zusehends wurden die Szenen flüssiger, die Dialoge runder und jeder Schüler mutiger. „Es ist schön, die kreative Arbeit, die Schüler und Lehrer gemeinsam über Monate hinweg leisten, zu sehen und zu unterstützen“, hob Amira Bakhit den besonderen Reiz hervor. „Und es macht Mega-Spaß, mehr Selbstbewusstsein aus den Schülern herauszukitzeln. Diesen „Mega-Spaß“ merkte man ihr in allen Szenen an. Dass sie nicht bei jeder neuen Wendung selbst auf der Bühne sprang, war wohl das Einzige. Obwohl sie es sogar zweimal tat, aber natürlich rein zu Demonstrationszwecken.
Diesen „Mega-Spaß“ hatten nicht nur sie und die Lehrer, auch die Schüler waren voll dabei. „Es ist echt super professionell“, resümierte Laura aus der Gruppe nach den intensiven mehr als drei Stunden. „Man fühlte sich wirklich wie im Theater, die Figuren bekamen eine ganz neue Tiefe und einen Hintergrund“, fügte Timo hinzu, obwohl er selbst an diesem Tag nicht die meiste Zeit auf der Bühne stand. „Ich glaube aber auch, dass wir gut noch mal ein paar Stunden mit Amira gebrauchen könnten“, so Laura.
Ob das wirklich der Fall ist, davon können sich alle Interessierten bald selbst ein Bild machen.