Auschwitz – dieser Name weckt in jedem diffuse Vorstellungen eines Ortes des Grauens. Doch was bedeutet Auschwitz konkret? 52 Schülerinnen und Schüler des Kreisgymnasiums Heinsberg scheuten sich nicht, Augen und Herz für dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu öffnen und besuchten bei einer Studienfahrt das Stammlager Auschwitz I und das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.
Sechs Tage in Krakau, Auschwitz und Berlin hinterließen bei den Schülern bleibende Eindrücke, unendliche Bestürzung und viele Fragen. Dabei begleitete die Gruppe durch alle Stationen der Studienfahrt hindurch vor allem die eine große Frage. Wozu sind Menschen in der Lage?
Die nun bereits zum sechsten Mal durchgeführte Studienfahrt unter der Leitung von Michael Matzerath ermöglichte zur Beantwortung dieser Frage vielschichtige und sehr differenzierte Einblicke in die Positionen von Opfern, Täten, Zuschauern und Wegschauern.
Beginnend mit einer Stadtführung durch das 1150 km entfernte Krakau, lernten die Schülerinnen und Schüler auch das ehemalige jüdische Viertel Kazimierz kennen, wo sie eine jüdische Synagoge und einen alten jüdischen Friedhof besichtigten. Anschließend wurde das ehemals jüdische Ghetto Podgorze besucht. Neben den zahllosen kleinen und großen Geschichten, die hier nahezu alle Hausfassaden erzählen, hinterließen insbesondere die Reste der vier Meter hohen Ghettomauer, deren oberer Abschuss der typischen Form jüdischer Grabmäler entspricht sowie der große Platz, auf dem sich die Bewohner des Ghettos am Morgen zum Abtransport in die Lager einfinden mussten, bezeichnende Bilder. Den Abschluss in Krakau stellte ein Besuch in der ehemaligen Fabrik Oskar Schindlers dar, die mit hohem museumspädagogischen Aufwand aufbereitet und teilweise zum Museum über die deutsche Besatzung in Krakau umgebaut wurde.
Die Besichtigung der Gedenkstätte Auschwitz führte die Dimensionen des Schreckens der NS-Zeit auf vielfache Weise eindringlich vor Augen. Dabei benötigten die Räume, vollkommen gefüllt mit abrasierten Frauenhaaren, in den Gaskammern hinterlassenen Prothesen, Schuhen, oder übrig geblieben kleinen Habseligkeiten der Häftlinge, keine Erklärung und hinterließen nahezu wortlos eine grenzenlose Bedrückung.
Ebenso intensiv erlebten die Schülerinnen und Schüler auch die zahlreichen Fotographien der Häftlinge. Flure, gefüllt mit hunderten unbekannten Häftlingsgesichtern, die mit unbeschreiblichem Ausdruck in die Kamera blicken und damit die Besucher scheinbar direkt selbst anschauen, wirkten erschreckend und ergreifend.
Besonders emotional empfanden die Schülerinnen und Schüler auch die Bilder der verhungernden Kinder, die für die sadistischen Menschenversuche Josef Mengeles ausgewählt wurden und die Einzelschicksale hinter den bereits bekannten großen Zahlen verdeutlichten.
Die Wirkung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wurde durch die äußeren Gegebenheiten zusätzlich unterstrichen. Bei sengender Hitze und über 40 °C ohne Schatten überquerten die Schüler das weitläufige Arbeitslager und sahen unter anderem die Lagerbaracken, einen ehemaligen Zugwagon, in dem die Häftlinge das Lager erreichten sowie die sogenannte „Sauna“, in der die zur Arbeit ausgewählten Häftlinge desinfiziert, rasiert und mit der Häftlingsnummer tätowiert wurden, um von einem Individuum zur Nummer verwandelt zu werden. Die entstandenen Eindrücke und Fragen wurden über die Möglichkeiten der Führung hinaus anschließend in einer gemeinsamen Reflexionsrunde geschildert und diskutiert.
Den Abschuss der Studienfahrt bildete Berlin, wo das Holocaustdenkmal, die erleuchtete Glaskuppel des Reichstagsgebäudes sowie die Ausstellung „Topographie des Terrors“ besucht wurden.
Die Studienfahrt blieb damit insgesamt nicht bei der Aufarbeitung der Vergangenheit stehen, sondern hat eine klare Botschaft: Die Verbrechen sind zwar in Auschwitz geschehen, aber sie können wieder geschehen – egal an welchem Ort und mit welcher Intention. Die Erinnerung an Auschwitz ist nicht nur wichtig, um den zahllosen Opfern zu gedenken oder die Geschichte zu kennen – sie ist notwendig für unsere Gegenwart und Zukunft. Die Konfrontation mit dem Schreckensort wird damit zu einem wichtigen Aspekt der Erinnerungskultur und zum Mahnmal für die Zukunft zugleich.